Ich bin bei Starcraft2 in die Silber-Liga aufgestiegen. Ja, ja, das ist nun auch nicht hoch, trotzdem war ich stolz, als ich die Meldung bekam.
Allerdings habe ich dann gleich wieder den Kopf schütteln müssen und zwar über die Community. Denn ich habe ein paar Mal die Klatsche bekommen, was an sich nicht schlimm war. Aber bei einem Spiel habe ich eben einen One-Hatchery-Fast-Tech gespielt auf Scrap-Station (oder wie diese Map heißt) und wollte Mass-Roaches mit Nydus probieren. Lief gar nicht einmal so schlecht, wie ich fand, allerdings bin ich dann doch weggehauen worden. Nach dem Spiel bekam ich dann den netten Whisper: „Zerg mit einer Basis ist Frühstück. Wie bist du denn in die Silber-Liga gekommen?“
Da war es wieder – diese typische Arroganz, die ich so noch von der WoW-Community und den einzelnen Klassen-Bäumen her kenne. Auch kenne ich es noch von meiner Schach-Zeit, bei der diverse Eröffungsvarianten direkt verdammt wurden. Mich hat sowas nie gestört und ich habe gerne die etwas abseitigen Sachen gespielt wie „Beschleunigter Drachen“ oder ähnliches.
Es gibt bei eigentlich keinem Strategiespiel „die“ eine Variante. Gerade wenn Menschen gegeneinander spielen ist es nicht immer nur „++“ oder „–„; das habe ich aus meiner langjährigen Schach-Erfahrung gelernt. So viel anders ist das immerhin auch nicht und ich denke, dass ich als Spieler, Jugendbetreuer und Trainer durchaus genug Erfahrung in solchen Sachen habe. Selbst wenn nach einer Schach-Variante „für Schwarz: -“ oder „mit leichtem Vorteil für Weiß“ stand, konnte Schwarz trotzdem etwas reißen, wenn er mit dieser Aufstellung den Weißen in einer für ihn unangenehme Spielposition gebracht hat. Denn nur, weil man objektiv einen strategischen Vorteil hat, heißt das nicht, dass das für ihn auch wirklich besser ist.
Wenn mein Gegner beispielsweise offenes Spiel nicht mag und ich kann ihn in eine geschlossene Position zwingen, die ihm zwar objektiv einen leichten Vorteil gibt, habe ich dennoch einen deutlichen psychologischen Vorteil, den man nicht verachten darf. Aber sowas kennen vermutlich viele Spieler von heute gar nicht mehr. Da geht es nur um „0“ oder „1“ – „Sieg“ oder „Verlust“.
Aber so einfach ist es nicht. Da habe ich auch bereits zu meiner Schachzeit dagegen gekämpft. Nicht umsonst hat man uns im Jugendkader eben nicht die gängigen Vorteilsvarianten beigebracht, die jeder kennt, die jeder spielt, die vielleicht auch besser für uns sind. Nein, der gute Tillman Vogler hat uns abseitige, obskure Eröffnungen und Positionen erklärt, mit denen wir den Gegner überraschen können, ihm unser Spiel aufzwingen – und das wirkt und macht viel mehr Spaß, als ganz öde und unkreativ das nachzuspielen, was die Masse spielt.
Damit will ich nun nicht sagen, dass man immer gegen den Strom spielen muss. Aber allein diese Aussage von oben, was man in der Silber-Liga zu suchen hat, wenn man keine Expo als Zerg spielt, ist Blödsinn und hat mich tatsächlich sehr geärgert. Natürlich habe ich verloren und natürlich habe ich daher nicht gut genug gespielt. Trotzdem hat das nichts damit zu tun, sondern einfach, dass mein Gegner einfach besser war und ich mich verzettelt habe. Es gibt so viele unterschiedliche Varianten und das allein auf die One-Hatchery zurückzuführen ist Blödsinn und zeigt eher deutlich, dass mein Gegenspieler wenig Ahnung von Strategie hat – selbst wenn er mich besiegt hat. Aber so sind sie nun einmal die Spieler von heute: Kein Verständnis vom Spiel, aber flamen, flamen, flamen.
Ligen haben keine Aussagekraft über Spielstärke. Sicherlich sind sie ein Anhaltspunkt, genauso wie im Schach die DWZ (Deutsche Wertungszahl). Aber genau wie die, ist sie ein vollkommen unzureichendes Erkennungsmerkmal und das habe ich auch über all die Jahre Schachspielen gelernt. Um den Spielstil und die Stärke eines Spielers zu bewerten, muss ich mir sein Spiel ansehen – keine DWZ, keine Liga. Das Herz der Karten, die Seele des Spiels – kurioserweise wird genau das bei „Yu-Gi-Oh“ gelebt, auch wenn viele da sicherlich die Augenrollen. Aber die Philosophie der Charaktere in dieser Serie ist genau die richtige und darum geht es. Das ist die Seele der Spieler, die immer mehr und mehr verloren geht und damit auch der Spaß am Spielen.