Letztens hatten wir es noch in den Kommentaren zu „Zak McKracken“ von Ultima 4 und schon bekomme ich von jemandem genau dieses Spiel im Browser spielbar verlinkt. Das sind die Momente, in denen man schwerlich an Zufall glauben kann.
Ultima 4 – Quest of the Avatar (im Browser)
Ultima 4 ist für mich eines der besten Computer-Rollenspiele, die jemals geschrieben wurden. Nicht, weil es so toll ist – das auch. Aber bereits Ultima 5 ist einfach deutlich besser, komplexer und hat mich mehr in seinen Bann gezogen, denn das habe ich (fast) durch gespielt, Ultima 4 noch nicht einmal ansatzweise.
Wie komme ich dann zu dieser Aussage, dass ausgerechnet ein Spiel, das ich nicht durchgespielt habe, eines der besten Computerspiele war? Es hat meinen Horizont erweitert und mich bis heute in meinem Denken über Rollenspiele beeinflusst, hat mich bis heute für Charakterideen und Hintergründe inspiriert und es war damals auch bahnbrechend.
Zumindest kenne ich kein Computer-Rollenspiel aus der damaligen Zeit, in dem es keinen Erzbösewicht gab. Worum drehte es sich? Britannia ist am Abgrund. Zwar konnten die drei Erzbösewichte (aus den vorherigen Teilen) besiegt werden und Sosaria unter dem großen Lord British vereint werden, doch das langt nicht. Denn dem Volk fehlt etwas – Tugend. Daher ergeht ein Aufruf von Lord British hinaus in die Welt: Wer dort draußen kann ein leuchtendes Vorbild für das Volk des neuen Britannias sein?
Man selbst kommt auf mysteriöse Weise aus dieser realen Welt in die Welt von Britannia durch ein Mondportal und folgt diesem Ruf. In der Folge muss man der Avatar der Tugend werden, ein leuchtendes Vorbild in: Honesty, Compassion, Valor, Courage, Justice, Honor, Sacrifice, Spirituality und Humility – den acht Tugenden Britanniens, die von den Grundprinzipien Truth, Love and Courage vereint werden.
Das Ziel ist es also nicht, irgendeinen bösen Schurken zu besiegen, sondern Erleuchtung zu erlangen. Das gab es bis zum damaligen Zeitpunkt noch nicht und war ungeheuer neu für mich. Ganz davon abgesehen, dass ich das Tugendsystem sowohl im Spiel als wunderschöne und komplexe Idee empfinde, es ist auch etwas, das meine reale moralische Einstellung stark beeinflusst hat. Denn das sind tatsächlich alles Werte, nach denen man streben sollte.
Das klingt zunächst nicht komplex? Ist es aber, wenn man genauer darüber nachdenkt, denn wie man beim Spielen von Ultima sehr schnell mitbekommt, ist es sehr schwer, wirklich alle Tugenden im Gleichgewicht zu halten. Gerade Spirituality und Humility können sich sehr schnell gegenseitig ausschließen, wenn man nicht aufpasst. Der wahre Avatar kann dies aber natürlich vereinen.
Auch bei der Charaktererschaffung mit den Tarot-Karten merkt man dies schnell, denn bei der bekam man eine Situation gesagt und man musste sich entscheiden, für welche Tugend man sich entscheidet und man konnte nie allen folgen. Damit bestimmte man seine Anfangsklasse und auch seine Anfangswerte, je nachdem, welche Tugend bei einem am höchsten war. Auch diese Charaktererschaffung hat mich damals ungeheuer begeistert und inspiriert und ich habe immer wieder gerne einfach nur diese Fragen beantwortet. Schaut es euch einfach mal über das Ultima 4 im oben verlinkten Browser-Spiel an.
Die anfänglichen Teile waren recht einfach gestrickt, so dass man sich zwar mit den NSCs unterhalten konnte, allerdings brauchte man nie ganze Sätze zu tippen – auch wenn man es konnte. Der NSC suchte immer nach Schlüsselwörtern, auf die er dann antwortete, wie „Job“, „Name“ oder das berüchtigte „Join“, mit dem man dann seine Gruppe aus tapferen Helden aufstellen konnte.
Ich habe lange Zeit auf UO-Freeshards Rollenspiel betrieben und zwar haben die alle in ihren eigenen Welten gespielt, aber dennoch war der Hintergrund meist auf diesen Tugenden aufgebaut, wodurch ich noch tiefer in die Materie einsteigen konnte. Außerdem kann man über alle weiteren Ultima-Teile nach dem vierten erkennen, wie tief dieses Thema geht, denn mit jedem Teil gibt es neue Aspekte, die die Diskussion darum bereichern.
Seit dem vierten Teil dreht sich nämlich alles in Ultima um den Avatar und die Tugenden. Eine großartige Saga über Moral und daher mein persönlicher Rollenspielfavorit – ich sehen mich sogar immer noch nach einem Ultima Online 2, auch wenn ich befürchte, dass nie wieder die Rollenspielerdichte von damals geschehen kann, denn dazu haben sich alle Rollenspieler seither zu sehr auf die verschiedenen Spieleplattformen verteilt.
Ultima 4 war der Grundstein, auf dem alle späteren, natürlich besseren Teile füßten – ja, mir gefiel sogar Ultima 9 und ich empfinde es als würdigen Abschluss der Saga um den Avatar, wobei ich mit dieser Meinung allerdings relativ allein stehe. Die Bugs aus Ultima 9 sind natürlich fürchterlich, aber ich hatte sehr viel Spaß mit diesem furiosen Ende.
Toll fand ich damals auch die Gimmicks, die bei den Spieleschachteln dabei waren: eine sehr schöne Karte, häufig aus Stoff, ein Avatar-Symbol und ein „Mondstein“. Das hat natürlich als Kind meine Fantasie noch weiter angeregt und so bin ich auch abseits des Computers immer mal wieder in diese wunderbare Welt eingetaucht.
Auch die Handbücher waren sehr schön geschrieben und gerade das Monsterhandbuch war hin und wieder als „Buch aus der anderen Welt“ geschrieben. Alles sehr stimmungsvoll und ungeheuer liebevoll, wie ich fand. Ich muss gestehen, dass man wirklich viel über Richard Garriott, Lord British, lästern kann, aber für mich war das damals einfach ein Held und eigentlich der einzige Spieleentwickler, den ich mir wirklich gemerkt habe und schlicht bewundert habe für die Ideen.
Sogar die Musik von Ultima fand ich großartig – nicht nur das Hauptthema, sondern besonders „Stones“, das auch innerhalb der Welt von dem Barden Iolo geschrieben wurde, der ein durchgängiger Charakter bis Ultima 9 ist. Das war sowieso immer wieder auch der Charme der Spiele, denn nach einem Teil kehrte man in die eigene Welt zurück, aber die Zeit verging in Britannien immer schneller, so dass man in späteren Teilen die gealterten Charaktere traf und es interessant war, wie sich Iolo, Shamino und all die Gefährten, die man in Ultima 4 gefunden hatte, weiter entwickeln. Auch in dieser Hinsicht habe ich Ultima 9 geliebt, denn es war unglaublich, was aus vielen Charakteren geworden war. Jedes Mal, wenn man einen neuen Ultima-Teil einlegte, hatte man somit das Gefühl nach Hause zu kommen.
Hier zum Abschluss die Story-Zusammenfassung aller Ultima-Teile mit dem wunderschönen „Stones“ (Achtung, Spoiler):
Ultima würde ich jederzeit wieder spielen, auch wenn das dank der wirklich großen Welt häufig extreme Zeitfresser waren. Aber ich liebe diese Rollenspiel-Saga – ein anderes Wort als „Saga“ passt zu dieser Reihe einfach nicht. Ich gebe zu, dass mich keine der späteren Rollenspielreihen, heißen sie „Baldur’s Gate“, „Morrowind“ und so weiter, so gut die auch bestimmt waren, so geprägt und inspiriert haben.