Rant am Freitag

Ich bin einmal wieder über ein Erkennungsmerkmal für Leute gestoßen, die sich und ihr Wissen zu wichtig nehmen und unbedingt raushängen lassen müssen, wie toll sie sind: Wer zur Hölle schreibt bei einer Büchersammlung, die er zu verkaufen hat, bitte schön das „J.R.R. Tolkien“ als „John Ronald Reuel Tolkien“ aus?

Ja, das kann man natürlich, denn es stimmt. Aber „J.R.R. Tolkien“ ist doch bereits ein Wortbild, das eigentlich jeder kennt. Ich musste eben fünfmal schauen und fand es mir jedem Mal noch ungewohnter und beim ersten Blick erkannte ich sowieso nicht, dass er damit gemeint war, denn da standen drunter „Das Buch der verschollenen Geschichten“.

Ich gebe zu, dass ich mich mit Tolkien nicht sonderlich gut auskenne, aber ich hätte nicht gewusst, dass es von ihm ist. Also hätte ich da fast drüber gelesen, wenn nicht doch das „Tolkien“ mir so aus dem Augenwinkel noch aufgefallen wäre.

Gerne erinnere ich mich in dem Zusammenhang noch an einen besonders affektierten und eingebildeten Dozenten an meiner Uni, in dessen Seminar ich war (wenn auch nicht lange, denn die Art hing mir bald zum Hals raus). Der hat sich auch immer in die Mitte des Raumes gestellt und gerne Namen vollkommen ausgesprochen, die man normalerweise nur mit dem Nachnamen nennt und dabei eine so affektierte Betonung angenommen… uff, das war echt übel.

Aber er konnte „Theodor W. Adorno“ so arrogant aussprechen, dass es wirklich unglaublich war. Wobei ich sowieso nicht verstehe, wie man einen Namen so aussprechen kann. Entweder ich nenne ihn „Adorno“ oder „T.W. Adorno“.

Ich schreibe schließlich auch nicht ständig „Howard Phillips Lovecraft“ aus, auch wenn man das Schriftbild sogar besser kennt als bei Tolkien. Das ist entweder Lovecraft oder „H.P. Lovecraft“. Aber Tolkiens Namen auszuschreiben kommt mir echt einfach nur wie Klugscheißen hoch zehn vor.

Ich bin Philologe und ich liebe auch Bücher und alles, was damit zu tun hat. Ich mag sogar Autorenportraits – solange sie dem Autoren keine Allmacht über sein Werk einräumen, denn die Autorenintention ist tot. Das alles finde ich spannend und ich könnte mich stundenlang über Literatur, Autoren, Bücher, Kultur und den ganzen Krempel unterhalten. Klar, ich habe das immerhin mit Inbrunst studiert.  Trotzdem hört man durch dieses „John Ronald Reuel Tolkien“ eine solche Autorenverehrung raus, wie ich sie schon seit meinem dogmatischen Deutsch-Unterricht in der Schule nicht mehr erlebt habe.

Natürlich kann man das auch ausschreiben – auch als jemand, der normal mit all dem umgeht. Aber vielleicht versteht jemand, worauf ich hinaus will und was mich ganz besonders an dieser Sache fuchst. Ich finde es einfach fürchterlich, denn es geht hier sogar selten darum, einen Autor empor zu heben, sondern sich selbst auch noch in seinem eigenen Wissen glänzen zu lassen.

Es ist einfach ein Unterschied, ob ich „Edgar Allan Poe“ komplett ausschreibe oder „John Ronald Reuel Tolkien“ – das Schriftbild des Ersten kennt man sowohl vom Schriftbild, aber auch von der Klangmelodie des Namens, weil das tatsächlich häufig benutzt wird. Bei Tolkien wissen die wenigsten, wie diese Namen lauten sollen und wer sie nennt, will damit im Großteil der Fälle einfach nur angeben und sich in diesem Wissen sonnen. Fürchterlich.

2 thoughts on “Rant am Freitag

  1. Interessantes Beispiel mit dem Poe. :) Allan (mit a) ist schliesslich nicht der zweite Vorname, sondern ein Nachname, nämlich der seiner Pflegeeltern, während Poe der Geburtsname ist. Hoffentlich komme ich jetzt nicht eingebildet rüber… *duckundweg*

    • Nee, gar nicht. Danke für den Hinweis. Da hätte ich doch noch einmal nachsehen sollen, besonders da ich genau den Fehler sehr gerne mache. Habe es korrigiert.

      Und spannender Zusatz, den ich tatsächlich auch nicht wusste, obwohl ich im Studium einiges an Poe hatte. Auch dafür danke.

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