Ich spiele Rift auf einem RP-PvE-Server. Dank Wochenendpendelei habe ich deutlich weniger Zeit als früher und bin zwar definitiv Rollenspieler, aber würde mich eher als „Casual Roleplayer“ bezeichnen. Was bedeutet das? Ich spiele auch mal den Abend nur Instanzen oder mache nur PvP. Ich mache nicht alles in-character, denn für manches reicht meine Zeit nicht und manches ist mir einfach zu blöd.
Die Zeit reicht mir nicht, wenn ich ein Dungeon in-character mache, denn wenn ich für gewöhnlich eine Stunde für das Dungeon brauche, werden es mit Rollenspiel gut und gerne mal vier Stunden. Zu blöd wird genau das gleiche dann, wenn ich mir schon wieder hahnebüchene Erklärungen ausdenken muss, warum ich jetzt zum x-ten Mal den benannten Mob da vorne umhauen muss. Das ist auch der gleiche Grund, warum ich nicht in Rolle queste – ich bin zwar anspielbar, aber dann ist mein Charakter aus einem anderen Grund dort. Ich verwende also durchaus meine Online-Zeit nicht unr auf das Rollenspiel.
Das war früher einmal anders, denn ich habe auf Ultima-Online-Hardcore-RP-Shards und NWN-Hardscore-RP-PWs gespielt – bei letzteren hatten wir sogar unseren eigenen Server gemacht, wo ich Gründer, SL, Reviewer und Mädchen für alles, was nicht mit Technik zu tun hatte, war. Geht aber nicht mehr und ich will es auch nicht mehr, denn ich will auch die anderen Aspekte eines Spieles entdecken.
Es gibt aber natürlich trotzdem auch in MMORPGs Hardcore-Rollenspieler, doch ich muss gestehen, dass sie mich größtenteils enttäuschen. Da wird gefordert, dass man alles im Rollenspiel macht, 24/7 anspielbar sein sollte und sowieso Engine und manchmal Leveln so ganz böse wären. Doch was sind meine Erfahrungen mit den Hardcore-Rollenspielern von heute? Es sind Pseudo-Elite-RPler.
Sie tun so, als ob sie mit ihrer Charakterdarstellung einen Oskar gewinnen könnten, dabei fühlt sich häufig die Unterhaltung mit diesen Koryphäen des Rollenspiels so zäh wie ein Kaugummi an. Rollenspiel erwarten sie überall und wenn sie keins finden, loggen sie aus – meist motzen sie vorher noch in diversen Channels rum, wie blöd doch alles sei. Anstatt, dass sie einfach mal etwas machen! RP erzeugen! Diese Leute haben die Zeit und eigentlich auch die Motivation dazu, aber wer darf sowas machen? Ich – der Casual-RPler. Ich darf dann Events basteln, die bejubelt werden, aber keiner nimmt ein Beispiel daran, sondern alle erwarten in treuer Konsumentenhaltung, dass man das immer und immer wieder macht.
Wieso können das nicht einmal diese selbsternannten Elite-RPler? In den Foren motzen sie ja gerne immer herum, wie böse doch alles wäre, wie viel fürchterliche Namen herumlaufen, wie sehr die OOCler doch die Atmosphäre stören und so weiter. Diese ganzen Wehwechen, die man in den offiziellen Foren erleben kann. Aber was machen sie im Gegenzug? Nichts – oder kaum etwas. Es gibt ja durchaus einige dieser Spezies, die immerhin ein wenig machen. Im Motzen sind sie ganz groß, aber ich vermisse bei dieser neuen Generation der Elite-RPler einfach das Machen.
Da wird ständig gemäkelt, dass TS ja böse sei und Instanzengänge ooc sowieso das ultimativ Störende. Was in Ordnung für mich ist und was ich akzeptieren könnte – wenn da nicht immer diese arrogante „holier than thou“-Mentalität raushängen würde und ich dann das Gefühl habe, dass da einfach nichts hinter der großen Klappe ist. Denn meist halten diese Leute kaum ein paar Monate aus, ehe sie dann wieder versickern und irgendwo anders herummotzen.
Diese Leute sind im Prinzip das Rollenspielpendant zum gegenwärtigen Trend der anderen MMO-Spieler, die Items gerne hinten reingeschoben bekommen haben wollen. Diese Leute gibt es mittlerweile nämlich unter den Rollenspielern zu genüge, dass sie das Rollenspiel hinten reingeschoben bekommen wollen. Dabei war Rollenspiel noch nie ein Konsumgut, Rollenspiel musste schon immer gemacht werden – es muss produziert werden. Dazu braucht man sicherlich auch Talent und einen Hang dazu, aber die wichtigste Ressource dazu ist: Zeit und Geduld. Während die meisten wohl Zeit haben, geht der heutigen Rollenspielergeneration scheinbar die Geduld flöten.
Was erinnere ich mich noch, wie ich in Ultima Online oder NWN manchmal einen ganzen Abend an einem Ort gesessen habe, in der Hoffnung, dass jemand an der Stelle im Spiel vorbeikommt, um ihn anzuspielen. Ich habe natürlich nebenher auch andere Dinge gemacht, wie geschrieben, DVDs gesehen oder so – die Zeit war nicht vergeudet, denn ich wusste mir zu helfen. Das kann ich immer noch heute! Ich habe es mehrfach in Aion probiert und bewiesen, ebenso in Rift. Es ist kein Problem (vielleicht mittlerweile in Aion schon eher), sich an eine Stelle zu setzen und Rollenspieler anzuziehen, indem man anwesend ist und auch mal Emotes in die Gegend wirft, um zu zeigen: „Hey, ich bin Rollenspieler und anspielbar!“
Meine These in Aion und auch in Rift war: „Gib mir zehn Minuten und ich belebe dir einen Platz zu normalen Spielzeiten.“ Mehrfach bewiesen. Ich konnte es sogar um 1 Uhr nachts! Und ich bin Casual-RPler, verdammt! Ich habe nicht die Zeit und auch gar nicht den Anspruch! Aber die Hardcore-RPler von heute haben diesen Anspruch und behaupten, es ginge nicht. Natürlich geht es! Man muss nur wollen! Aber wo ist die Geduld und das Sitzfleisch hin? Wo ist das Verständnis über Rollenspieldynamiken? Wenn man immer in der Taverne vorbeischaut und sagt: „Ist ja keiner drin, ich gehe weiter“, braucht sich nicht zu wundern, wenn nie einer drin ist – denn wenn das jeder denkt, ist nie einer als erstes da. Irgendjemand muss immer den Anfang machen.
Aber nein, da wird dann lieber der schnelle Weg gegangen: Flame in RP-Channels, im Forum und dann das Spiel wechseln, um dort erneut vor eine Wand zu laufen. Damit reiten sich die Hardcore-RPler regelmäßig ihre eigenen Communities tot, denn gerade durch dieses Motzen gibt es eine Außenwirkung, die tödlich ist. Wenn ich als Neuling nämlich irgendwohin komme und sehe dann nur Gemotze, wie wenig oder schlecht das RP sei, dann fange ich doch im Zweifelsfall gar nicht an! Klar, da ist dann die Frage, ob man überhaupt so Leute will. Aber genau durch solche Aktionen torpediert man sich seinen eigenen Rollenspielnachwuchs.
Da wird dann gerne die Schuld den ach-so-bösen Non-RPlern in die Schuhe geschoben. Nein, das machen die Hardcore-RPler schon von ganz allein – seit Jahren in unterschiedlichen Spielen. Es gab noch nie so viele Rollenspieler! Nur schaffen sie es nicht, den Hintern mal hoch zu bekommen und das einzusetzen, was uns Rollenspieler auszeichen sollte: Geduld, Einfühlsamkeit und Kreativität. Ein Trauerspiel!
Aber dann muss ich Casual-RPler eben weiterhin die alte Fahne des Rollenspielveteranen hochhalten und der ganzen selbst ernannten Elite zeigen, wie es geht und wie man es machen sollte, um RP zu haben. Klar, mache ich zu einem gewissen Grad auch gerne, denn RP macht mir schließlich Spaß. Ich wünschte nur, dass der Großteil der heutigen Rollenspiellandschaft nicht dieses dämliche Konsumverhalten hätte und auch mal die Hardcore-RPler merken würden, dass auch sie häufig nicht die Qualität bringen, die sie von anderen fordern. Denn ganz ehrlich: Ich spiele zwar auch natürlich mit denen, aber häufig finde ich deren RP tatsächlich ziemlich flach und langweilig. Eigentlich dürfte man von Hardcore-RPlern, die 24/7 in-character sind, mehr erwarten – vor allen Dingen, wenn sie die Klappe aufreißen.
Weitere Artikel, bei denen ich über Rollenspiel an sich auf meist einer Meta-Ebene nachdenke, findet ihr unter: Beginning Theory. Allerdings fußen diese ganzen Überlegungen auf Erlebnissen, die ich tagtäglich im Spiel mache. Es sind also keine abgehobenen realitätsfremden philosophischen Ausschweifungen, sondern Dinge, die mir durch den Kopf gehen, während ich spiele und die ich dann hier aufschreibe.