Die Härte

Foren, Moderation und ich – ein Kampf gegen Windmühlen. Was mir da auch durchaus häufiger auffällt: Wenn verstärkt moderiert wird, wird auch die Diskussionskultur aggressiver. Das kann ich nicht mit irgendwelchen Studien untermauern oder sonstige Beweise liefern. Das ist eher etwas, das ich meine, beobachtet zu haben.

Lange ich habe darüber gegrübelt, denn ich wusste nicht genau, woran diese Entwicklung liegt. Jetzt denke ich, habe ich eine Antwort: Wenn man denkt, dass jemand etwas überwacht, dann muss man nicht mehr auf sich selbst und seine Umgangsformen aufpassen. Ich kenne es jedenfalls noch aus dem Usenet, dass sich sowas selbst reguliert hat. Sicherlich nicht in jeder Gruppe, aber zumindest in den Gruppen, in denen ich unterwegs war und die waren auch nicht klein.

Wie reguliert sich das selbst? Wenn ich mich regelmäßig und häuig daneben benehme, schwindet mein Ansehen bei den anderen Regulars. Ich werde zuerst weniger ernst genommen und irgendwann wird man immer mehr geblockt bis man dann ganz ignoriert wird und in sämtlichen Killfiles landet, wenn man sich nicht benimmt. Das ist hart – sehr hart sogar. Sowas kommt aber gänzlich ohne Anstandswauwau oder Moderationspolizisten aus.

Dass da aber schlimme Dinge passiert sind, war wirklich sehr, sehr selten – bei all den Trollen und wirklich unangenehmen Personen, die da manchmal aufgeschlagen sind. Warum? Weil die anarchische Struktur des Usenets ganz natürliche Selbstregulierungen auf Grund der Gruppendynamiken hatte. Die greifen nicht, wenn man da eine Hierarchie in eine anonyme Struktur packt.

Wenn ich denke, dass da jemand ist, der alles überwacht, dann passieren Dinge sehr zentral über wenige Moderatoren. Wertungen über einzelne Mitglieder werden von wenigen Menschen getragen, die dann bestimmen, ob etwas in Ordnung ist oder nicht. Dadurch wiegt die Meinung von Einzelnen viel größer, als wenn eine größere Gruppe an Regulars darüber abstimmt – und wenn dies nur informell oder indirekt ist.

Sicherlich kann das auch mal schief gehen und es gab da auch sicherlich schon Fälle von Mobbing. Allerdings kann ich diese Fälle an wenigen Fingern abzählen. In Foren hingegen? Da reichen meine beiden Hände schon lange nicht mehr aus. Denn es ist viel einfacher, einzelne Personen, deren Meinung mehr wiegt, zu manipulieren, als eine vollkommen heterogene Benutzermasse, die man einfach nicht kontrollieren kann.

Wenn da also jemand ist, der die Macht hat, über Menschen zu entscheiden, dann wird der Ton härter, weil es beeinflussbarer ist. Da gibt es eine Person und bei der muss man entweder Liebkind sein oder den Grimar Schlangenzunge spielen und schon kann man Richtungen entscheiden. Außerdem ist das, was man sagt, erlaubt, solange nicht moderiert wird. Man kann auch über die Strenge schlagen. Wieso auch nicht? Es gibt immerhin dann meist erst einmal den erhobenen Zeigefinger, aber schlimme Dinge passieren nicht. Denn die Moderation bestimmt schließlich den Umgangston.

Auf seine kuriose Art und Weise scheint mir daher bei aller Härte der damaligen Usenetkultur, die Forenkultur mit der steigender Moderationsstrenge aggressiver zu werden. Nur eine Beobachtung, nichts, was ich wirklich gut belegen könnte. Es war eben noch nie gut, wichtige Positionen in wenige Hände zu legen und wenn diese Positionen dann noch nicht einmal durch Wahlen entschieden werden, dann wird das Ganze immer problematischer.

Worauf muss man schon selbst achten, wenn es Andere gibt, die auf Umgang achten? Man wird entmündigt und selbst aus der Verantwortung gezogen, also kann man ganz ungeniert leben und sich wie die Axt im Wald verhalten. Verantwortung hat man selbst schließlich nicht, die haben nur Administration und Moderation. Es sollte aber mehr dorthin gehen, dass jeder selbst für sein Verhalten Verantwortung trägt und sich selbst verantworten muss – nicht gegenüber einzelnen, nicht gegenüber kleinen Gruppen, sondern gegenüber der Community.

Das sind übrigens genau die Entwicklungen, die ich schon so häufig an verschiedenen Orten prophezeit habe – einer Cassandra gleich. Meist wird mir nicht geglaubt, häufig wird dann sogar behauptet, ich würde zur Entwicklung dieses Tons beitragen. Nein, mache ich nicht. Das macht man aber bestimmt, indem man Moderationshärte anzieht, anstatt sie abzuschwächen. Das kann man natürlich nicht in jedem Fall machen. Es gibt sicherlich auch Communities, in denen das problematisch ist. Aber eine „normale“ Internet-Community funktioniert – von selbst. Und sie reguliert sich auch – von selbst. Auch heute noch. Wir müssen nur wieder anfangen, darauf zu vertrauen und daran zu glauben.

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