Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich Thor gesehen habe – trotzdem möchte ich ihn empfehlen, denn das ist ein so überraschend guter Film! Vergesst den Trailer, vergesst die albernen Rüstungen, vergesst die eigenwillige Interpretation der nordischen Mythologie. Vergesst außerdem auch, wie Thor in den Comics früher auf euch gewirkt hat. Ich mochte Thor nie in den Comics. Das war einer der langweiligsten Helden, die ich kenne. Aber diese Verfilmung? Großartig!
Das Problem sind die Erwartungen, mit denen man an diesen Film herangehen könnte. Vor allen Dingen, weil die erste halbe Stunde ein anderer Film sind als der Rest. Das ist nicht schlecht, sondern in dieser Kombination eigentlich gut. Man muss dem Film nur die Chance geben. Die erste halbe Stunde ist nicht schlecht, doch Leute, die sehr allergisch auf Pathos reagieren, könnten dazu neigen, ihn zu früh abzuschalten.
Worum geht es in dieser ersten halben Stunde? Sie zeigt die eigentliche Macht Thors und dessen, was dahinter steckt. Sie zeigt, wo der Charakter wachsen muss und was seine Probleme sind. Warum er nicht der Held sein kann, der er sein sollte. Denn sein Ego steht ihm im Weg. Das ist die Exposition der ersten halben Stunde. Die ist imposant, die ist bombastisch und die ist pathetisch – aber gut.
Wenn ihr mir also vertraut und euch den Film unvoreingenommen ansehen wollt, erwartet einen unsympathische und großkotzigen Thor, zu dem man kaum Verbindung haben kann. Ab dem Zeitpunkt von Thors Fall jedoch beginnt der eigentliche Film und das ist auch die Entstehung des Superhelden.
Das ist nämlich das Kuriose an dem Film: Thor hatte am Anfang gewaltige Macht – war aber an sich kein Held. Erst als er diese Macht verliert, wird er zu einem. Damit hat es Kenneth Brannagh mit einer meisterhaften Schreiberleistung geschafft, eines meiner Lieblingsmotive aus dem Superhelden-Genre zu schreiben: ein Held ist nicht ein Held, weil er Superkräfte hat, sondern weil er Schwächen hat und über diese hinaus wächst. Erst in diesem Moment, wird er zum Held.
Wenn man den Film aus dieser Perspektive sieht, dann erwartet einen ein Plot von shakespearischen Ausmaßen, wie man es nicht anders von einem Kenneth Brannagh hätte erwarten können.
Aber bitte tut mir einen Gefallen: Schaut euch keinen Trailer zu dem Film an. Denn diese Trailer zeigen alle einen anderen Film. Wenn ihr euch einstimmen wollt und euch fragt, ob euch der Film gefallen könnte, hört euch den folgenden wunderbaren Zusammenschnitt ein paar der Musikstücke aus dem Film an. Wie so häufig fängt diese Musik die Essenz des Films wunderbar ein.
Thor ist episch, ist bombastisch, witzig, romantisch und hat ein hervorragendes Ende. Spätestens da hat man den Urrumpel Thor in sein Herz geschlossen, selbst wenn man ihn anfangs unausstehlich fand. Ich bereue es sehr, dass ich diesen Film nicht im Kino gesehen habe. Er ist einfach schön…