Damals vor’m Kriesch war alles besser!

Da ich es gerade mal wieder gelesen habe: „XYZ war das beste MMO aller Zeiten“, will ich zu dieser Aussage einmal eine ganz eindeutige und kompromisslose Antwort liefern: Nein!

Auch ich schwärme gerne von Ultima Online. Das wird vermutlich bei mir immer in guter Erinnerung bleiben. Ich schwelge und trauere den Zeiten nach. Ebenso würde ich mir manche Dinge davon in die heutige Zeit wünschen. So geht es scheinbar vielen Leuten. Ansonsten würde ich nicht ständig lesen: „DAoC war das beste MMO aller Zeiten“, „UO war das beste MMO aller Zeiten“, „WoW Classic war das beste MMO aller Zeiten“ etc.

Doch dann will ich einmal eine ganz ketzerische Frage stellen: Wenn es doch das beste MMO aller Zeiten war, wieso seid ihr nicht mehr dort? Es gibt immer einen Grund, warum man gegangen ist. Bei mir kann ich diesen Grund ganz eindeutig benennen: Es kam zu einem allgemeinen Exodus nach Neverwinter Nights, weil dieses Spiel endlich 3D war, weil die Grafik besser war (für damalige Verhältnisse) und das eben das nächste große Ding war. Also gab es offenkundig Dinge, die nicht so gut an Ultima Online waren.

Es war damals nicht alles besser!

Ich gebe mich keiner Illusion hin. UO war toll und ich liebe es immer noch. Aber es gab viele Dinge, die Mist waren. Der Chat? Damit könnte ich heute im RP nicht mehr leben. Die Kämpfe? Da würde ich vermutlich einschlafen, auch wenn sie zum Emoten sehr schön waren. Die Community? Mit heute verglichen erschreckend klein. Innovationen? Nicht so wirklich – damals steckte alles sowieso noch in den Kinderschuhen. Gameplay? Im Vergleich zu heute ein Witz. Und so könnte ich noch ein wenig weitermachen.

Zwar habe ich nie Dark Age of Camelot gespielt, aber man hört es so häufig, dass dies das perfekte MMORPG gewesen sein soll mit dem besten PvP. Doch dann frage mich: Wenn das PvP mit drei Fraktionen und Belagerungswaffen so toll war, wieso ist man nicht mehr dort? Spielerschwund? Vielleicht die Grafik? Kein Content? Ich weiß es nicht. Warum sind die Spieler alle gegangen? Nur eines ist offensichtlich: Es war also nicht das tollste MMORPG und dieses System hat auch Unzufriedenheit hinterlassen auf die eine oder andere Weise. Die Erinnerung verklärt das nur.

Weiterhin frage ich mich, warum all die Revivals dieses PvPs in anderen MMORPGs so schlecht angenommen werden. Rift hatte genau ein solches PvP mit drei Fraktionen – zugegeben, ohne Belagerungswaffen. Ich hatte einen riesigen Spaß im „Conquest“-Modus. Woran hat es gehakt? An den Spielern. Wieso? Weil alle nur in das übermächtige Team wollten und keiner mehr das PvP um des PvPs Willen spielte oder um stolz für seine Fraktion zu kämpfen, sondern für Belohnungen. Da ging es nicht ums Spiel, da ging es nur um den Loot.

Wieso spielt niemand das PvP in Cyrodiil in TESO? Na gut, vermutlich weil nicht so viele Leute TESO spielen. Aber selbst bei Release war es vielleicht das PvP, das diesem heiligen Gral so nahe gekommen war, wie sonst nichts. Trotzdem wird es nicht angenommen. Trotzdem strömen nicht die Spielermassen dorthin. Trotzdem ist man damit nicht zufrieden. Mit der heutigen Spielerschaft funktioniert es einfach nicht.

Der heutige MMORPGler, auch jener, der diese alten Zeiten erlebt hat, will nicht mehr nur eine eingeschworene „kleine“ Gemeinde sein – und das waren wir früher. Das war keine riesige Community. Die Zahlenverhältnisse haben sich massiv verschoben. Ansonsten könnte einfach diese „Fraktion der glorreichen Zeiten“ zu jenen zurückkehren. Aber das sind dann ja zu wenige Spieler – oder zu große Lags. Denn die Geschichten, die ich über das PvP in DAoC gehört habe, beinhalten solche Dinge wie: „Da musstest du auf den Boden starren, um so wenig Pixel wie möglich im Sichtfeld zu haben, sonst hat es geruckelt wie Sau.“

Also war doch nicht alles so megamäßig toll. Bitte nicht falsch verstehen, denn natürlich darf man die „guten, alten Zeiten“ besingen. Das mache ich – wie gesagt – ebenso. Aber auch das „gute, alte WoW-Classic“ war damals zwar schön, aber möchte ich keineswegs heute wieder haben. Wer Molten Core glorifiziert, der hat eine sehr merkwürdige Erinnerung oder war früher nie dort. Das war langweiliges Dungeon-Design, das waren oberflächliche Boss-Taktiken und das war Time-Sink pur. Ich würde heute keinen Sonntag mehr von 14 Uhr bis in den späten Abend in Molten Core hocken. Dafür hat sich meine Lebensweise zu sehr verändert und ich will die Zeit dafür nicht mehr verschwenden – besonders, wenn es heute viel spaßigere Game-Designs gibt, die kurzweiliger sind und auch nicht so viel Zeit fressen.

Es war früher nicht alles besser. Wir waren nur unerfahrener. Wir hatten noch den Sense of Wonder. Es war für viele der erste Kontakt mit MMOs, mit Raiden, mit Computerspielen, mit dem Internet. Das war anstrengend, neu und aufregend. Das schwingt dabei mit. Aber besser? Das war es damals nicht. Es war anders. Es war auch schön auf seine Weise. Aber wenn man immer in der Vergangenheit schwelgt, lernt man nie, die Gegenwart zu genießen – und das ist, woran der Spielspaß heute nur all zu oft krankt. Man zerstört ihn sich selbst. Da kann man noch so sehr auf EA schimpfen, da kann man noch so sehr auf Bioware schimpfen, auf Blizzard, auf die Medien, auf die Schlümpfe … die größte Spielspaßbremse liegt in einem selbst.

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