Ich glaube nicht an Gott, denn ich bin kein Atheist. Ich bin Agnostiker – ein Zweifler. Mir persönlich ist das Konzept Religion überaus sympathisch, denn ich finde es gut, wenn man etwas glauben kann – an etwas Positives. Für viele ist Religion und Kirche etwas Schlimmes. Das kann es sein, aber muss es nicht. Grundsätzlich mag ich das Christentum. Das heißt nicht, dass ich all den Mist gut finde, der damit legitimiert wird. Aber es gibt nicht nur diesen Mist. Es gibt auch wirklich gute Dinge. Da unterscheidet sich allerdings Religion in dieser Hinsicht kaum mit der Wissenschaft, auch wenn viele das nicht gerne hören.
Über Religion zu reden ist gewagt
Wenn es eines gibt, was ich wirklich glaube, dann dieses: Diskussionen über Politik, Religion und Geschlechter sind schwierig zu führen und kann man nicht mit jedem führen. Schon gar nicht im Internet. Das ist schade. Aber selbst mit guten Freunden meide ich diese Themen. Wieso? Weil ich mich nicht mit ihnen verstreiten will und diese Themen haben leider die Tendenz dazu.
Politik halte ich daher nahezu komplett aus diesem Blog heraus. Nicht, weil es mich nicht interessiert, sondern weil es nicht sein muss. Ich habe Politikwissenschaft studiert. Das sollte eigentlich zeigen, dass ich nicht uninteressiert bin – im Gegenteil. Jedoch habe ich meine eigenen Meinungen zu vielen von Dingen; Ähnliches zu Religion. Geschlechterthemen kann ich häufig kaum meiden, denn da ist ein innerer Drang in mir, darüber zu schreiben. Denn ich denke, das ist wichtig, was ich da zu sagen und zu schreiben habe und da ist noch so viel Nachholbedarf – auch bei mir selbst. Und nur in diesem kritischen Diskurs kann auch ich mich da weiterentwickeln.
Nichtsdestotrotz habe ich jetzt ein wenig Religion in diesem Beitrag, aber ich schließe bewusst die Kommentare dazu nicht. Ich glaube an die Menschheit. Enttäuscht mich also bitte nicht.
Glaube an die Menschheit
Damit wären wir auch schon fast beim Thema: Der Glaube an die Menschheit und deren Menschlichkeit ist nicht immer einfach. Ich habe häufig Durststrecken und oft verzweifle ich an den Menschen. Dennoch verliere ich vielleicht mal kurzzeitig meinen Glauben an sie, aber ich kann ihn trotzdem nicht ganz ablegen. Das ist vermutlich, wie religiöse Leute sich fühlen. Dies ist mein Glaube.
Ich habe das im Studium häufig genug gesehen, wenn ich mich durch Briefe und Tagebücher von Puritanern aus dem frühen Amerika gelesen habe – eines meiner persönlichen Spezialgebiete und ungeheuer spannend. Bis heute liebe ich noch die Gedichte von Anne Bradstreet und ihre Briefe. Beim Studium dieser Texte wurde mir bewusst: So viel unterscheidet mich nicht von diesen Leuten, obwohl ich Agnostiker bin und sie gläubig. Wir glauben alle an etwas, das wir nicht beweisen können. Wir glauben an etwas, zu dem es manchmal sogar zu viele Gegenbeweise gibt. Das lässt uns zweifeln, aber wir geben nicht auf. Denn es ist etwas Tolles, an so etwas glauben zu können.
Glaube ist wichtig – auf eine aufgeklärte Art und Weise. Damit meine ich nicht, dass nur religiöser Glaube dazu zählt. Nein. Das ist mir ganz besonders bewusst geworden, als ich eine Rede von Joss Whedon zu diesem Thema gesehen habe. Dabei möchte ich betonen, dass Joss Whedon Atheist ist – ich nicht. Ich teile in dieser Hinsicht seine Einstellung nicht – obwohl er mein großes Vorbild ist. Aber ich mag seine Gedanken und ich mag seine Ideen dazu. Außerdem zeigt er, wie man ein fairer Atheist sein kann. Nicht wie viele da draußen, die einfach gerne auf Religion und Glauben eindreschen. Denn das ist auch nicht viel besser als das, was im Namen von Religionen häufig gemacht wird.
Menschlichkeit ist wichtiger denn je
Egal ob religiöser Mensch oder Atheist oder Agnostiker, wichtig ist, menschlich zu bleiben und zu wissen, was richtig und falsch ist. Das ist nicht immer einfach, denn richtig und falsch sind so subjektiv und so kulturell schwierig zu definieren, dass man sich darüber verlieren kann. Daher muss man immer wieder und wieder und wieder in sich gehen und nachdenken. Diese kritische Selbst-Reflektion darf niemals aufhören; bei keinem, denn wir laufen ständig Gefahr, hier und da vom Weg abzukommen. Das ist etwas, was aber auch zumindest im Christentum durchaus bereits als Bewusstsein vorhanden ist.
Trotzdem kann man selbst mit einer solchen Reflektion gläubig bleiben. Das merke ich an mir. Vielleicht nicht im Glauben an Gott – irgendeinen. Oder um es mit Joss Whedon zu sagen: „I’d like to have some [faith], but I don’t. And that’s just how it works.“
Auf den Punkt gebracht
Joss Whedon hat in dieser Rede einmal wieder etwas auf den Punkt gebracht, worüber sich unzählige Menschen den Kopf einschlagen, obwohl sie es nicht müssten:
„The enemy of humanism is not faith. The enemy of humanism is hate, is fear, is ignorance, is the darker part of man that is in every humanist, every person – in the world. That is the thing we have to fight. Faith is something we have to embrace. Faith in God is believing absolutely in something with no proof whatsoever. Faith in humanity means believing absolutely in something with a huge amount of proof to the contrary – we are the true believers.“
Danke Joss, dass du es einmal wieder so treffend formuliert hast.
Mir ist bewusst, dass dieses Thema hier Zündstoff sein kann. Ursprünglich wollte ich die Kommentare hierzu sperren. Doch das widerstrebt mir. Ich will es also einmal so probieren. Allerdings scheue ich mich nicht, bei Überschreitungen des vernünftigen Umgangs manchen den Zugang zu entziehen. Dieser vernünftige Umgang ist natürlich subjektiv, aber dennoch denke ich, dass man sich auch über diese Themen vernünftigen unterhalten sollte. Wer das nicht kann, soll bitte nicht hier einen Kommentar hinterlassen, sondern Parolen an Stammtischen dreschen.