Der Tod des Germanisten – meine Vorurteile zu einem schönen Fach

Der Tod des Germanisten – meine Vorurteile zu einem schönen Fach

Nichtsahnend lese ich einen Artikel in der Zeit über Germanistik und Literatur und plötzlich stürmen auf mich so viele Erinnerungen ein – aus der Schulzeit, aus der Studienzeit. Ich habe Amerikanistik und Anglistik studiert, nicht Germanistik. Mein Plan war ursprünglich ein anderer. Aber den haben mir manche Lehrer zur Schulzeit ausgetrieben. Zurückgelassen wurde ich mit einem sehr erschreckenden Germanistikbild, von dem ich gar nicht weiß, ob es überhaupt stimmt.

„Was will uns der Autor damit sagen?“ – Wie sehr ich diese Frage gehasst habe und immer noch nicht ausstehen kann. Wo hörte ich sie? Eigentlich nur im Deutschunterricht; und außerhalb der Schule manchmal von ein paar notorischen Besserwissern. Meiner Ansicht nach ist das einer der überschätztesten und schlechtesten Sätze überhaupt. Dass ich das sage, ist klar. Ich bin Post-Strukturalist mit Leib und Seele und meine Frühstückslektüre ist Roland Barthes The Death of the Author.

Wie gerne ich meine damalige Deutschlehrerin heute treffen würde, denn jetzt könnte ich ihr all das widerlegen, was sie mich lehrte und eigentlich nur zeigte, wie wenig Ahnung sie von Literaturtheorie und Literaturkritik hatte.

Maria Stuart – Eine Hinrichtung

Eine meiner Lieblingsgeschichten zu dem Thema, die meine Frau sich sicherlich schon einige dutzend Mal anhören musste, spielt in der Oberstufe im Deutschunterricht: Wir lasen Maria Stuart. Nicht unbedingt toll, aber tatsächlich fand ich es erträglich. Ich gebe zu, mit deutschen Theaterstücken bin ich nie warm geworden. Aber ich kämpfte mich so durch und dann kam es zur Klausur. Unsere Aufgabenstellung war: „Interpretieren Sie, ob Maria Stuart Angst vor Ihrer Hinrichtung hat.“

Damals wollte ich gerne coole Dinge interpretieren und ein wenig gegen den Strom schwimmen. Das hat sich bis heute nicht so sehr geändert, aber damals war ich dann noch mehr in meiner „Sturm & Drang“-Phase. Daher überlegte ich: Bestimmt interpretiert jeder, dass sie keine Angst. Ich will mal schauen, ob ich das Gegenteil im Text finde. Gesagt, getan, und ab an’s Werk.

Ich schrieb mir Textstellen heraus, die meine These belegten und schrieb meine Klausur. Wenige Wochen später (Klausurkorrektur dauerte wegen Dauerkrankheit unserer Lehrerin immer gefühlt ein halbes Schuljahr) staunte ich nicht schlecht, als wir das Ergebis bekamen: Es war meine erste 5 in Deutsch.

Was will der Autor uns damit sagen?

Ich war schockiert. Wirklich. Das hatte ich noch nie erlebt, denn in Deutsch war ich eigentlich immer gut. Sicher, es war hin und wieder wechselnd je nach Lehrer. Manchmal war ich bei 1, manchmal bei 3. Aber schlechter eigentlich nie. Außer bei meiner Lehrerin in der Oberstufe und dann kam … diese 5. Unter der Klausur stand (aus dem Gedächtnis zitiert): „Thema verfehlt. Ihre Analyse ist falsch. Wie Schiller in seinem Aufsatz ‚Über Anmut und Würde‘ schreibt…“ und an mehr erinnere ich nicht mehr. Ist aber auch egal, denn das war ausgemachter Unsinn.

Bitte nicht falsch verstehen. Es war kein ausgemachter Unsinn, was Schiller schrieb. Schiller und ich sind zwar nie auf einen grünen Zweig gekommen, doch darum geht es nicht. Ich kann seine Bedeutung und Wichtigkeit akzeptieren. Aber die Ansicht meiner Lehrerin war höchstgradig Mist. Tatsache ist, dass wir diesen Text von Schiller zumindest auszugsweise im Unterricht gelesen haben. Aber wo stand das bitteschön in der Klausuraufgabe? Wenn diese gelautet hätte: „Analysieren Sie Maria Stuart an Hand des Textes ‚Über Anmut und Würde‘ von Schiller“ hätte ich das ja noch verstanden. Aber so? Es war mal wieder ein klassischer Fall von „Was will der Autor uns damit  sagen?“

Wahrheitsfindung statt Interpretationen

Dabei hätte ich eine schlechte Note akzeptiert, wenn meine Argumentation einfach schlecht gewesen wäre. Wenn die zitierten Textstellen nicht ausreichend waren oder ich sie fragwürdig interpretiert habe, wäre das alles kein Ding. Aber das war nicht die Argumentation für meine Note. Die war: „Thema verfehlt“. Ähm, nein. Zugegebenermaßen habe ich sogar diese Note damals akzeptiert, da ich einfach zu unsicher und auch nicht auf meinem Literaturstand von heute war. Denn schon allein aus Sicht der Literaturtheorie ist eine solche Herangehensweise Unsinn – und ich hoffe und denke, nicht nur aus Sicht eines Post-Strukturalisten wie mir.

So verlief mein Deutsch-Unterricht in der Oberstufe. Ging ich noch in die 11. Jahrgangsstufe mit dem Ziel und dem Traum, Germanistik zu studieren, wurde dieser Traum mir in den folgenden drei Jahren durch solche Aktionen gründlich rausgehauen. Denn irgendwie bekam ich den Eindruck: „So ist die Germanistik halt. Was für ein Mist!“ Dass ich das an Hand einer einzigen Lehrerin festgemacht habe, mag nicht besonders fair gewesen sein. Aber es war nicht nur eine. Wir hatten ein paar solcher Exemplare davon an unserer Schule, auch wenn ich keineswegs in solchem Maße abgerutscht bin, wie bei dieser Lehrerin.

Nicht alle Fächer sind so eingeschränkt

Englisch war dann meine Rettung. Denn auch wenn es so ähnliche Lehrer bei uns an der Schule ebenso für dieses Fach gab, hielt es sich mehr in Grenzen. Außerdem hatte ich mit eine der besten Lehrerinnen an unserer Schule dafür: Heike Lehnert-Loeb. Ich hatte nur Englisch-Grundkurs, aber wir wurden häufig als „getarnter“ Leistungskurs betitelt. Im Gegensatz zu anderen Grundkursen wagten wir uns nämlich tatsächlich an Shakespeare heran – und gar nicht einmal so schlecht. Aus dieser Zeit rührt auch meine gewaltige Begeistung für Shakespeare, die bis heute nie nachgelassen hat. Das war inspirierend. Lag sicher an der Lehrerin, aber vielleicht auch am Fach.

In dieser Zeit hörte ich kein einziges Mal: „Was will uns der Autor damit sagen?“, sondern wenn es hieß, „Interpretieren Sie…“, dann ging es nur um eines: Schlüssigkeit der Argumentation und Belegbarkeit durch Zitate. Eigentlich also genau so, wie ich es dann an der Uni erlebte. Wir durften Thesen aufstellen, wie wir wollten. Wichtig war nur, diese zu füttern. Da durfte man Querdenken und das ist auch, was ich dann mein gesamtes Studium über gemacht habe und worüber ich bis heute noch sehr stolz bin. So sollte Literaturunterricht sein.

Mein subjektiver Eindruck von der Germanistik

Da ich selbst nie Germanistik studiert habe, sondern aus diesen Gründen zu Amerikanistik und Anglistik gewechselt habe, habe ich keinen fairen Einblick in die Germanistik. Aber … man bekam ja so einiges mit. Ob das nun stimmt? Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich weiß nur, dass die deutschen Literaturtheoretiker, die ich auch in Amerikanistik gelesen habe, überaus verknöchert waren. Wenn ich da die germanistische Literaturtheorie mit der amerikanistischen und anglistischen verglich, waren das riesige Unterschiede – und einer meiner Schwerpunkte im Studium war Literaturtheorie, weswegen ich mich mit all dem ein wenig mehr auseinandersetzte.

Zugegebenermaßen mit den Germanisten weniger, denn … da gab es wenige, die man wirklich gelesen haben sollte. Lag das daran, dass das alles zu konservativ war? Zu verknöchert? Ich weiß es nicht. Ich erinnere mich nur noch an den Schock, als ich mich an Wolfgang Iser für eine Seminarsarbeit wagte (Reader Reception Theory bezogen auf Herr der Ringe-Ausgaben) und ich mir nach jeder Seite dachte: „Eigentlich coole Ideen, aber so verschwurbelt und umständlich erklärt … was soll das? Das könnte man auch einfacher erklären.“ Aber vermutlich wollte „der Autor“ das nicht, um mich mal ironischerweise in der Autorenintention zu verlieren.

Es war ein Eindruck, den ich häufiger bei deutschen Geistes- und Sozialwissenschaftlern hatte – in der Politikwissenschaft nämlich genauso. Da wurden recht einfache Sachverhalte manchmal unglaublich umständlich formuliert. Ich vermutete und vermute bis heute, dies war, um sie wissenschaftlicher wirken zu lassen. Denn irgendwie wollte man mit den Naturwissenschaften gleichziehen und auch ernst genommen zu werden. So wird man aber nicht ernst genommen. So pflegt man nur seinen Minderwertigkeitskomplex und wird sogar noch weniger ernst genommen.

Fachliche Vorurteile

Aus der Distanz betrachtet schien mir das ähnlich mit der Germanistik. Es wirkte alles immer ein wenig veraltet und steif aus der Ferne – soweit ich das eben als Amerikanist mitbekam. Da plagte man sich wirklich mit Autorenintentionen herum. Modernere Ansichten hörte ich selten, wenn ich meine Ohren aufsperrte und mich mit Germanistikstudenten bei uns unterhielt. Und dabei ist Roland Barthes nun auch nicht mehr der neueste gewesen und Derrida dekonstruierte auch schon seit ein paar Jährchen, dass schon die Gegenbewegung längst vollzogen war.

Aber dies war mein Bild von der Germanistik. Um so erstaunter war ich beim Lesen des am Anfang genannten Artikels, dass auch hier von geschwurbelter Sprache berichtet wird und irgendwie fühlte sich mein altes Vorurteil sehr bestätigt. Ich gebe zu, dass ich es immer versuchte, abzumildern. Denn mir war bewusst: Es war ein Vorurteil, gestärkt durch sehr persönliche und sehr einseitige Erfahrungen. Immer sagte ich mir: „Vielleicht ist die Germanistik gar nicht so.“ Und möglicherweise gibt es diese verknöcherten Strömungen auch in der Amerikanistik und Anglistik.

Ich wollte da immer fair sein. Aber vielleicht war an meinen Vorurteilen doch mehr dran, als ich immer dachte. Mich würde da tatsächlich die Meinung derjenigen interessieren, die das Fach wirklich studiert haben – also mittendrin statt nur nebendran, wie ich. Vielleicht mag auch der Thomas als Germanist, den ich sehr schätze, was aus seiner Sicht sagen. Ich würde mich darüber freuen, besonders wenn ihr mir widersprecht. Denn es wäre schön, wenn ich mit diesen Vorurteilen total daneben liege und die Germanistik viel cooler ist, als die Schulweisheit mich lehrte.

2 thoughts on “Der Tod des Germanisten – meine Vorurteile zu einem schönen Fach

  1. Moin!

    Ich würde dir jetzt gerne widersprechen. Würde dir jetzt gerne sagen, dass die Germanistik gar nicht so ist, dass du da über Jahre einer Fehleinschätzung aufgrund eines schlechten empirischen Querschnitts warst … aber nee.
    ist so.

    Natürlich nicht alle. Ich hatte ein paar großartige Dozenten in Aachen, die auch ganz klar nicht in diese Falle gelaufen sind. Holger Gehle, bei dem ich meine allererste Veranstaltung hatte und mit dem zusammen ich später noch ein Enzensberger-Projekt bearbeitet habe, hat damals sogar explizit damit angefangen, uns ein Enzensberger-Gedicht ohne Kontext und Info vorzulesen und uns aufgefordert, mal „wild loszulegen“. Stephan Braese, Inhaber des meines Wissens einzigen Lehrstuhls für Europäisch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte, war ein brillanter Dozent, der es mit seiner doppeldeutig-ironischen Art zwar manchmal glaube ich den weniger selbstbewussten Studenten schwer gemacht hat, aber dem ich sofort und ohne zu zögern zuschreibe, dass er mir in Literaturwissenschafts-Dingen locker einige Ligen voraus ist. Jürgen Egyptien, der es mir ja sogar erlaubt hat, in der Germanistik meine halbe Abschlussarbeit auf Lovecraft anzulegen.
    Aber das sind Ausnahmen; und dass ich die hier mit Namen so benennen kann, zeigt mit voller Absicht, was für Ausnahmen es waren. (Bei der Philosophie, meinem zweiten Fach, wäre es ähnlich, aber ich erspare dir mal das Namedropping.)

    Ich habe positive Erinnerungen, wie die oben.
    Ich habe gemischte Erinnerungen, etwa dass ich einmal in einem Seminar als Hausarbeit eine positivistische Betrachtung eines Lessing-Textes mit einer Gender-Studies-Analyse quervergleichen durfte; aber da dann auch implizit angenommen wurde, dass die eher autorenimmanente Interpretation der „Normpegel“ sei, die andere die Abweichung.
    Und ich habe viele Fälle von textklammernden, nahezu sklavischen Betrachtungen erlebt. Nie so dogmatisch wie in deinem Beispiel oder auch in meiner Schulzeit, aber eben schon immer mit einem gewissen Duktus von „Ja, knuffig, so kann man das auch deuten, aber jetzt machen wir mal wieder richtige Wissenschaft hier.“

    Und apropos, ja, das mit dem Zwang zur verschwurbelten Sprache ist SO WAHR. Ich denke, es ist eine Mischung aus dem, was du richtig attestierst – der Wunsch, wissenschaftlicher zu sein, indem man verworrener ist – kombiniert mit einer völlig verzerrten Wahrnehmung dessen, was eine Fachsprache leisten soll. Ja, das Ziel ist Präzision durch Begriffe, die in einer solchen Eindeutigkeit im Alltag nicht zu nutzen wären. Aber nein, das Ziel sollte in meinen Augen halt nicht sein, dass man das ausgrenzend betreibt.
    In der deutschen Geisteswissenschaft existiert auch, so wie ich es erlebt habe, eine massive Abneigung gegen alles, was in Verdacht geraten könnte, populärwissenschaftlich zu sein. Dieses elende Elfenbeinturm-Getue. Aktiv erlebt habe ich es damals als Schwanitz sein „Bildung“ veröffentlicht hat, und richtig hart, als Precht mit „Wer bin ich, und wenn ja wie viele“ rausgekommen ist. Beides Bücher, über die man fachlich streiten konnte. Aber viele der boshaften Seitenkommentare während der Vorlesungen waren … nicht fachlich.
    Ich war und bin nach wie vor der Meinung, lieber den Leuten eine „halbwegs richtige“ Einstiegsdroge geben, anstatt ihnen schon den Beginn der Auseinandersetzung so mit Komplexitäten zu verhageln, dass sie dann gleich wieder gehen.
    Ich möchte lieber in einer Welt leben, in der die Mehrheit der Leute das Leib-Seele-Problem halbwegs begriffen hat, als in einer, in der eine winzige Minderheit es kennt, dafür aber fachlich ganz sauber. Aber damit bin ich scheinbar eher alleine.

    Zuletzt zwei Gegenpole:
    – Wenn du wissen willst, wie übel es sein kann, dann schnapp dir mal Austins „How To Do Things With Words“, und lege mal die deutsche Ausgabe, „Von der Theorie der Sprechakte“, daneben. Die verhalten sich zueinander, wie es schon die Titel suggerieren – mit irren Logik-Diagrammen in der deutschen Ausgabe, die das englische Original aufgrund seines Plaudertons gar nicht braucht.
    – Gegenbeispiel: Besprechung meiner Abschlussarbeit. Mein Dozent eröffnete ungefähr mit den Worten, dass er mir für die Arbeit danke, dass er sie sehr spannend gefunden habe. Sogar so spannend, und das sei mein Nachteil, dass er dank mit Lovecraft noch mal selbst zur Hand genommen und gelesen habe. Mein Nachteil, weil er mir in einigen Interpretationen so nicht zustimmen wollte. Und dann haben wir darüber – am Text – diskutiert.
    Und ich finde *so* sollte es sein.

    Viele Grüße,
    Thomas

    PS: Aus Zeitgründen habe ich nicht noch mal drüber gelesen. Tippfehler und konfuse Sätze bitte ich zu entschuldigen ;)

    • Vielen Dank für die tolle und lange Antwort. Auch wenn es wirklich schade ist, dass mein Eindruck da leider doch nicht so falsch war. Ich wäre da wirklich gerne widerlegt worden, denn… eigentlich mag ich die Germanistik – bzw., ich liebe Deutsch und ich will auch deutsche Literatur gut finden. Aber durch meine angesprochenen Erfahrungen hat sich da nie so recht die Begeisterung entfalten können, wie bei der englischen Literatur. Ich kenne schließlich auch viele tolle Germanisten, mit denen ich mich gerne unterhalte.

      Natürlich gibt es auch die entsprechenden Lichtblicke bei den Germanisten und es ist auch gut zu hören, dass es die bei dir ebenso gab. Bei mir gab es die durchaus auch. Besagte Englisch-Lehrerin, die meine Begeisterung für englische Literatur entflammen ließ, war – wenn ich mich richtig erinnere – eben auch Deutschlehrerin bei uns an der Schule. Und ich hatte auch richtig gute Deutschlehrer bei uns. Leider nur in der Oberstufe nicht und das war dann doch der prägende Moment so kurz vor der Studiumsentscheidung.

      Dass es in der Philosophie ähnlich sein dürfte, habe ich befürchtet. Da habe ich schließlich auch hin und wieder einmal reingeschnuppert. Nur wenn ich schon allein sehe, wie deutsche Philosophen anderssprachige Philosophen übersetzen. Vielleicht habe ich es schon einmal erwähnt, aber: Ganz besonders habe ich bei Derridas „Grammatologie“ gemerkt. Das ist sowieso schon kein einfacher Stoff. Aber die deutsche Übersetzung war ungenießbar in meinen Augen. Das Absurde war aber, dass ich als deutscher Muttersprachler nicht „Grammatologie“, sondern die englische Übersetzung „Of Grammatology“ las und das so viel angenehmer und verständlicher war … schon ein wenig traurig, dabei sollte ich es eigentlich in meiner Muttersprache besser verstehen können. Aber auch das war eben von einem deutschen Philosophen übersetzt, wenn ich mich nicht irre.

      Ich stimme mit dir übrigens vollkommen überein: Man darf und sollte niemanden mit einer zu komplizierten Sprache abschrecken. Diese Erfahrung habe ich früher schließlich auch selbst im Cthulhu-Forum machen dürfen, als ich dann doch zu viele Fremdwörter und verschwurbelte Satzkonstruktionen benutzte (wie du sicherlich noch weißt) – was mir auch einige User sagten. Das verstand ich und bemühte mich ab dem Zeitpunkt immer, dem entgegen zu wirken. Das war nicht ganz einfach, aber es war um so wichtiger. Seitdem bin ich auch großer Verfechter der deutlichen und einfachen Sprache – vom Saulus zum Paulus. Auch wenn hier und da vermutlich wieder alte Gewohnheiten reinrutschen. In der Schule und in der Uni wird man da manchmal leider doch sehr stark in eine „Verkomplizierung“ gelenkt.

      Ein wenig erinnert mich das auch an die aktuelle Diskussion zur Leipziger Buchmesse. Das hat immerhin auch etwas von dieser „Elfenbeinturm-Elite“ und ich glaube, es ist kein Zufall, dass Buchmesse und Germanistik da ein ähnliches Problem haben.

      Zu den zwei Gegenpolen: Uh, das Beispiel klingt wirklich schon allein an Hand der Überschriften sehr bezeichnend. Erinnert mich tatsächlich an den extremen Gegensatz wie bei der englischen und der deutschen Derrida-Übersetzung. Im Englischen ist dieser deutliche und einfache Kommunikationsstil immerhin eine Tugend – auch in der Literaturtheorie. Sicher nicht überall, aber mir schien es zumindest ein angestrebter Standard. Im Deutschen wirkte es immer auf mich, als ob der Standard das genaue Gegenteil war.

      Und zu deiner Abschlussarbeit: Einerseits natürlich ungünstig, dass er dir widersprochen hat dadurch, andererseits … also, ich finde das cool. Denn du konntest mit deiner Arbeit jemanden so begeistern, dass er die Texte noch einmal zur Hand genommen hat. Ich finde das einen immensen Erfolg! Viele sehen „Korrekturen“ oder „Widersprüche“ in der Wissenschaft als Versagen an. Dabei finde ich, dass das normal ist und sogar üblich sein sollte. Das ist schließlich wissenschaftlicher Diskurs und nur so kann dieser vorangehen. Das war die Duve-Arbeit, oder? Ich sollte mir die wirklich endlich mal zulegen und durchlesen. Habe gerade gesehen, dass die bei Amazon in der Kindle-Edition wirklich nicht so viel kostet. Ich glaube, die kommt auf meine „demnächst lesen“-Liste. Wobei da leider noch mindestens zwei Sachen vorher dran sind. Oder könnte die schwierig zu lesen sein, wenn man nichts von Duve kennt?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert